eigentlich sollte ich die Antwort auf die Frage, der richtigen Zeitform bei Rückblenden, wenn ein Text im Präsens geschrieben ist, ja wissen. Immerhin ist Deutsch meine Muttersprache. Leider ist diese, zuerst erlernte Sprache, durch exzessiven Gebrauch von Fremdsprachen in Mitleidenschaft gezogen worden. Durch Kommentare und Feedbacks in den Schreibprojekten weiß ich bereits, dass Texte im Präsens und dazu noch mit einem Ich-Erzähler eher verpönt sind. Ich machs trotzdem. Zumindest beim Genre Thriller erhöht diese Kombination für mich die Spannung. Außerdem umgehe ich so das Plusquamperfekt, dass ich persönlich am liebsten ersatzlos aus dem deutschen Sprachgebrauch streichen möchte. Bleibt für Rückblenden also Perfekt oder Präteritum oder künstlerische Freiheit. Hier im Forum scheint die Meinung Perfekt zu sein. Im Netz und in Romanen habe ich beides vorgefunden.
Mir sagt das Präteritum im erzählenden Text zu. Figuren dagegen sprechen in beiden Zeitformen. Natürlich nicht gleichzeitig. Die eine im Perfekt, die andere im Präteritum.
Bin gespannt auf eure Meinung.
Gruß Matt
Ich komme aus Ironien. Das liegt am sarkastischen Meer.
In der wörtlichen Rede verwenden wir im Deutschen fast ausschließlich das Perfekt, wenn wir von Vergangenem erzählen. Das Präteritum verwendet kaum jemand. In Romanen würde mir deshalb das Präteritum ziemlich unnatürlich vorkommen. "Ich koche etwas Leckeres, nachdem ich einkaufen ging" - ähm. Naja. In der Regel verwendet man folgende Kombiationen: Steht der Text im Präsens, wird Perfekt verwendet, um Vorzeitigkeit auszudrücken. Wird im Präteritum erzählt, schildert man bereits vergangene Ereignisse im Plusquamperfekt. Hier findest Du eine Übersicht dazu.
Ist es seltsam, dass dein Beispiel für mich gut klingt? Ich rede so, ist aber wahrscheinlich dem Englischen geschuldet.
Um deinen Beispielsatz aber in meinen tatsächlichen Rede-/Schreibstil umzuwandeln: Ich ging einkaufen und koche jetzt was Leckeres. Ich würde nie sagen: Ich bin/war einkaufen gegangen und ... Für mich ergibt es mehr Sinn, den Satz so aufzubauen, da der Einkauf ja vor dem Kochen stattfand (stattgefunden hat)
Aber so wie ich dich verstanden habe (hier klingt verstand tatsächlich blöd), gibt es keine feste Regel. Es ist eher Usus und damit Gewohnheit.
Gruß Matt
Ich komme aus Ironien. Das liegt am sarkastischen Meer.
Richtig. Extraregeln zur Zeitenfolge gibt es nicht; es gelten die üblichen Regeln zum Gebrauch der Zeiten. Wenn Du tatsächlich für die Vorvergangenheit lieber Präteritum nutzt (kein Wunder durch die Beschäftigung mit der englischen Sprache), kannst Du das tun. (Hier das Ganze noch ein wenig ausführlicher.)
Als Lektorin würde ich sofort von Dir verlangen, dass Du das richtig machst und das Perfekt benutzt. Vor allem in der wörtlichen Rede, wo man das ohnehin immer tut. Kein Mensch sagt "Ich ging einkaufen und kochte dann." Im Dialog. Ehrlich nicht. ;) Die Ausrede, das wäre dem Englischen geschuldet, höre ich als Lektorin immer wieder. Aber dann schreib auf Englisch. Wenn Du auf Deutsch schreibst, dann schreib so, wie es im Deutschen richtig ist.
Das unerträgliche Präsens, das heute viele Autorinnen und Autoren anscheinend für normal halten, würde ich wahrscheinlich stehen lassen (müssen), weil anscheinend auch viele der heutigen Leserinnen und Leser das für normal halten, obwohl es die Ausnahme sein sollte. Ein Roman wird in der Erzählvergangenheit erzählt, nicht im Präsens. Als ich Germanistik studierte, war das jedenfalls noch so.
Ja, ich weiß, ich bin zu alt, und dazu liebe ich die deutsche Sprache und kämpfe gegen jede Vergewaltigung der Sprache, soweit ich kann. Komme mir aber vor wie der sprichwörtliche Rufer in der Wüste. Nur weil die Leute es sich heutzutage leichtmachen und lieber im Präsens schreiben als im Präteritum, weil man für Präsens und die daraus folgenden Zeitenfolgen nicht so gut Deutsch können muss, sollte trotzdem die Schönheit der Sprache und die korrekte Anwendung im Mittelpunkt stehen. Aber ich weiß ... Rufer in der Wüste ...
Zitat von Marbar im Beitrag #6Kein Mensch sagt "Ich ging einkaufen und kochte dann." Im Dialog. Ehrlich nicht. ;)
Ehrlich doch! Zum Beispiel ich. Für mich klingt es normal und richtig.
Zitat von Marbar im Beitrag #6Nur weil die Leute es sich heutzutage leichtmachen und lieber im Präsens schreiben als im Präteritum, weil man für Präsens und die daraus folgenden Zeitenfolgen nicht so gut Deutsch können muss
Es geht mir nicht darum, es mir leicht zu machen. Ich gehöre zu der Gruppe, die besonders Thriller gerne im Präsens lesen. Ich bin dann besser in der Geschichte drin. Bei anderen Genres sieht es schon wieder anders aus. Da kann ich mir das Präteritum durchaus vorstellen.
Zitat von Marbar im Beitrag #6Ein Roman wird in der Erzählvergangenheit erzählt, nicht im Präsens. Als ich Germanistik studierte, war das jedenfalls noch so.
Mit dem Hintergrund ist mir schon klar, dass du die Sprache bewahren willst. Mein Hintergrund ist ein anderer. Seit meinem Studium der Elektrotechnik arbeite ich einer Branche, die einem schnelleren Wandel unterworfen ist, als jede andere. Alle 3-6 Monate erfinden wir unsere Welt neu. Zum Beispiel kaufst du dir heute das neueste Moniltelefon. Das wurde aber bereits vor 2-4 Jahren entwickelt und wir sind schon ein bis zwei Generationen weiter in der Entwicklung. Die Welt ist im stetigen Wandel. Den meisten geht es zu schnell. Mir dagegen viiiieeel zu langsam. Ich sage ja nicht, dass mein Weg für einen Roman der richtige ist. Ich bin ja auch nur Hobbyautor, der an einem Manuskript arbeitet. Ob da jemals ein Roman draus wird und ob ich das überhaupt möcht, sei dahingestellt.
Zitat von Marbar im Beitrag #6Als Lektorin würde ich sofort von Dir verlangen, dass Du das richtig machst und das Perfekt benutzt.
Zitat von Marbar im Beitrag #6Wenn Du auf Deutsch schreibst, dann schreib so, wie es im Deutschen richtig ist.
So wie ich das sehe, gibt es kein richtig oder falsch. Es gibt keine niedergeschriebene Regel. Es beruht auf einer Art Tradition. Für mich automatisch das Stichwort, es anders zu machen. Während des Studiums arbeitete ich bei einem großen Elektronik Unternehmen. Der Standardsatz, den wir jungen zu hören bekamen: "Des ham ma scho immer so gmacht, des mach ma a weiter so!" Da es, wie gesagt, kein "Gesetzt" gibt, dass mir genau vorschreibt, welche Zeiten ich verwenden muss, ist es mir ein inneres Bedürfnis, mit der Tradition zu brechen.
Gruß, Matt
Ich komme aus Ironien. Das liegt am sarkastischen Meer.
Ob man im Präsens, oder Präteritum schreibt, finde ich jetzt nicht als so schlimm, im Hinblick auf das bewahren der Sprache. Mir macht viel mehr Sorge die verbale Verrohung der Sprache. Und den Rückgang des Wortschatzes. Er wird kleiner, zusammengestrichen auf WhatsApp-Niveau. Das macht mir mehr sorgen, denn irgendwann muss sich der Autor daran anpassen, will er noch Leser finden die verstehen, was er mit seinem geflügeltem Wort ausdrücken vermochte. Geht es doch schon mir so, das es mir schwer fällt, Originale Schrift meiner Großeltern zu lesen. Das nur wegen dem Altdeutsch. Den Sinn der Wörter begreife ich noch. Bei meinen Kindern sieht das schon anders aus, da muss ich "verbal" erst einmal erklären. Und ab und zu ernte ich mit meinen Sätzen Blicke, die mir zeigen, man hat mich nicht verstanden. Ich frage mich dann immer, ob es an mir liegt.
Sprache bewahren. Was willst du da bewahren? Wenn ich unseren ollen Göthe les, wird mir immer ganz schwummrig weil das doch ziemlich verquast daher kommt was die Grammatik betrifft, verglichen mit heute. Der nahm das aber auch nicht so genau. Thomas Mann, einer der ganz Großen schreibt Dialoge die ich mir außerhalb eines Kunststückes nicht vorstellen kann. Nietzsche hat Buchstaben in Worten die mir heute nicht mehr so richtig vorkommen. Warum? Sprache ist Identität aber in einem steten Fließen. Deutsch ist heute nur noch ein europäischer Dialekt. Also, was wollen wir erhalten? Erinnerung daran, dass es Regeln gibt für alles? Inwieweit man sich an Regeln hält ist mittlerweile Privatsache und damit wie auch Demokratie, anstrengend. Ob das Bestand hat, ob es ankommt beim Leser? Das ist die andere Frage. Wenn du nicht mehr verstanden wirst, hast du immer noch die Chance als besonders wertvoller Künstler in die Ruhmeshallen einzugehen wie James Joyce.
»Das ist der Marquis de Carabas«, sagte er. Er ist ein Lügner und Betrüger und vielleicht sogar so etwas wie ein Ungeheuer. Wenn du je in Not bist, geh zu ihm. Er wird dich beschützen, Mädchen. Er muss.« Neil Gaiman
Ob es nun unbedingt sinnvoll ist, sich der donnernden Stimme einer Lektorin zu beugen, die einem sagt, wie man einen Text gefälligst zu schreiben habe, sei einmal dahingestellt. Aber die Aussage, dass Sprache sich ständig ändert und es deshalb auch nicht wichtig sei, etwas zu bewahren, kann ich so nicht akzeptieren. Natürlich ist die deutsche Sprache in ihrer Vielfalt, in ihrer Eindeutigkeit und mit ihren Besonderheiten bewahrenswert! Wenn man die Regeln kennt, eröffnet sich ein ganzes Universum an Möglichkeiten, diese Regeln auszuschöpfen oder sie sogar zu brechen.
Also bei mir regt sich auch gleich der Widerspruchsgeist, wenn mir jemand sagt "Das kannst du so nicht machen, Romane werden nur in dieser Form geschrieben." Dann kommt bei mir reflexartig die Frage auf: Warum? Wer sagt das? Wo und von wem wurde das geregelt? Das mir der Umgang mit unserer Sprache im Alltag nicht gefällt, ich glaube, das Thema hatten wir schon. Ich werde mich immer darum bemühen, meine Texte verständlich und leicht lesbar zu halten. Mich an die Rechtschreibung halten, soweit ich sie verstehe, aber in welcher Form ich mich ausdrücken will, das lasse ich mir nicht vorschreiben. So viel Freiheit sollte ein Autor schon haben. Ob er damit Erfolg hat, steht auf einem anderen Blatt.
Hari
Alles ist möglich, nur wenig davon wahrscheinlich, nichts selbstverständlich. Tudo é possível, pouco disso provavelmente, nada como garantido. (H.Patz)
Ich wollte auch nicht sagen, dass die deutsche Sprache nicht erhaltenswert sei. Das ist sie definitiv. Nur wenn keine Regel existiert, mad ich, für mich ganz persönlich, es nicht, wenn mir jemand sagt, dass musst du so machen. Ich sage den Kiddies auch nicht, sie sollen ihre Jugendsprache aufgeben. Es ist eine Form von Identität. Ich verstehe es halt nicht.
Ich wollte mit dem Thread nur wissen, ob es eine Regel gibt. Die gibt es nicht, und das reicht mir aus.
Gruß Matt
Ich komme aus Ironien. Das liegt am sarkastischen Meer.
Kein Grund für eine Entschuldigung. Ich wollte nur klar stellen, dass es mir nicht um eine Diskussion über die deutsche Sprache geht. Mein Anliegen bestand darin, ob ich Regeln verletze. Ich will unsere Sprache nicht verhunzten, wie man in Franken sagt. Ich breche nur gerne mit Gewohnheiten wann immer möglich. Ich bin mit czil such nicht ganz konform. Unsere Sprache ist mehr als nur ein europäischer Dialekt. Unsere Dichter und Denker sind ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur. Ich will schlichtweg neue Wege gehen, ohne Regeln zu brechen. nur zur Erklärung: Ich mag die Ich-Perspektive. Im Präsens zu schreiben macht für mich bei einem Thriller Sinn. Beides kann man sehen, wie man will. Es gibt durchaus eine große Leserschaft, wie einige sehr erfolgreiche Autoren beweisen. Präteritum als Vergangenheitsform macht in meinem Falle Sinn ( für mich), da der Prota in den USA geboren wurde, dort aufwuchs und die Geschichte aus seiner Sicht erzählt.
Gruß Matt
Ich komme aus Ironien. Das liegt am sarkastischen Meer.