Du glaubst wirklich, dass nicht einmal das IDS Dir die Frage, welche denn nun die oberste Instanz in Sachen Festlegung von Rechtschreibregeln ist, beantworten kann? Okay ...
Zitat von Gaia Athanasia im Beitrag #26dass nicht einmal das IDS Dir die Frage, welche denn nun die oberste Instanz in Sachen Festlegung von Rechtschreibregeln ist, beantworten kann?
Nein, das war ja doch gar nicht die Frage. Die Regeln stehen ja quasi im Amtsblatt. Es wurde mal entschieden, dass das nicht mehr der DUDEN ist. Die Links wo die Rechtschreibregeln stehen, hast du ja schon in dem ersten Post vorhin geliefert. Die Frage zielt ja auf was ganz anderes. Schau dir mal die Sache mit scheinbar/anscheinend an. Hier gibt es, wie bei vielen Sachen, eine Wischiwaschiregel, die eigentlich keine ist. Es ist vielleicht "umgangssprachlich", als "Mundart" gekennzeichnet in der Onlineversion des Duden oder als lokale Variante. Aber ist das deswegen ein schlechteres Deutsch? Vergleiche ich die dann noch Varianten die in Österreich, der Schweiz oder in Südtirol verwendet werden, komme ich auf noch mehr Schwamm. Selbst bei den schriftlich fixierten Regeln gibt es etliche Varianten. Aber, wie schon gesagt, darauf zielt die Frage ja nicht ab. Die Grundfrage ist: Wer bestimmt, was gutes, r[ichtiges in Klammern] "Hochdeutsch" ist. Der hannoversche Stadtstreicher, der wie wir hier schon lesen durften, mit seinen Mitstreitern auf der Straße um ein paar Kippen und einen Schluck Bier in gestochener Theatersprache streitet? Der Schweizer Geschäftsmann? Der Hamburger Verlagsmann? Der Spiegel-Journalist? Der Fernsehmoderator? Du? Jeder selbst?
-------------------------------------------- »Das ist der Marquis de Carabas«, sagte er. »Er ist ein Lügner und Betrüger und vielleicht sogar so etwas wie ein Ungeheuer. Wenn du je in Not bist, geh zu ihm. Er wird dich beschützen, Mädchen. Er muss.« Neil Gaiman
Aus dem Wikipediaartikel, den Du im Eingangsposting verlinkt hast, geht hervor, dass die Aufstellung der Regeln der Grammatik "eher deskriptiv als normativ" erfasst werden, dass das Regelwerk des Rechtschreibrates bzgl. der Orthografie verbindlich ist und welche Standardwerke es für den Wortschatz gibt. Damit sollte Deine Frage beantwortet sein: Dieses eine Gremium gibt es nicht.
Um diese Diskussion abzukürzen, könnten sich Deine Testleser ja vielleicht wertender Kommentare Deine Schriftsprache betreffend zu enthalten.
Das tu ich, aber das beantwortet meine Frage jetzt nicht. Die Links sind Versuche der Sache näher zu kommen, was ich seit meiner Grundschulzeit höre. Wenn jemand behauptet, etwas sei besseres oder was anderes schlechteres Deutsch, gibt es zwei Möglichkeiten. Eigener Geschmack oder eine richtungsweisende Instanz. Wenn du aber davon sprichst, die Diskussion abzukürzen, dann walte deines Adminamtes und verschieb sie ins Archiv. Oder den Müll.
-------------------------------------------- »Das ist der Marquis de Carabas«, sagte er. »Er ist ein Lügner und Betrüger und vielleicht sogar so etwas wie ein Ungeheuer. Wenn du je in Not bist, geh zu ihm. Er wird dich beschützen, Mädchen. Er muss.« Neil Gaiman
Weil sich die Diskussion grad mal wieder an einem anderen Ort weiterentwickelt dazu noch ein Zitat aus dem Buch "Was ist gutes Deutsch" (Aufsatz von H.-W. Eroms) zu dem Thema gutes grammatisches Deutsch.
Zitat1.2 Ratschläge der Sprachpflege
Wie in solchen Fällen vorgegangen wird, sollen nun einige Beispiele zeigen, die in den populären Büchern von Bastian Sick (2005; 200e) behandelt werden, Es handelt sich dabei um grammatische Konstruktionen, die seit langer Zeit die Aufmerksamkeit der Sprachkritik auf sich ziehen. So wird unser erstes Beispiel, brauchen ohne zu, schon bei Wustmann (1903: 285) als „gemeiner Provinzialismus” gebrandmarkt.
1.2.1 brauchen ohne zu
Sick führt zunächst den bekannten Merkvers an: „Wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen” und fügt hin- zu: „Diese Faustregel gilt in der Standardsprache noch immer“. Seine Deutung der Gründe für die Abweichung ist korrekt: „In der Umgangssprache wird ‚brauchen‘ in Analogie zu den Hilfsverben ‚müssen‘ und ‚dürfen’ oft ohne ‚zu‘ verwendet. Nach dem Vorbild ‚Sie muss davon ja nichts erfahren‘ wird ‚Sie braucht davon ja nichts erfahren’ gebildet.“ Schließlich ist auch gegen seine Empfehlung nichts einzuwenden: „Dies gilt aber nicht als salonfähig. In gutem Deutsch heißt es nach wie vor: ‚Sie braucht davon ja nichts zu erfahren.’ (Sick 2005: 209) Man beachte aber die Formulierung „in gutem Deutsch“: Damit sind Ausdrucksweisen gemeint, mit denen man keinen Anstoß erregt und die die neutrale Norm darstellen. Außerdem ist zu bemerken, dass offenbar"gutes Deutsch“ anderen Diskursstilen, insbesondere der Umgangssprache, nicht zuerkannt wird, Und drittens ist vielleicht die Ausbreitung der Konstruktion inzwischen soweit vorangeschritten, dass sie die zwangsläufig sprachkonservative Sicht der Sprachpfleger überholt hat. So finden sich im Internet zahllose Beispiele für die Konstruktion, die Sätze Du brauchst nicht weinen und Sie brauchen nur anrufen lassen sich 2300- bzw. 57-mal belegen, auch auf „seriösen“ Seiten (Zugriff am 20.3. 2007).
sowie dieses hier, ob man sich "gutes Deutsch" von Schriftstellern (hier verglichen "Grass", "Kehlmann" und "Walser") abschauen sollte:
ZitatWer wollte bezweifeln, dass es sich bei allen.drei Textstücken um »grammatisch gutes: Deutsch“ handelt?- Aber soll man die hier von Walser oder Kehlmann oder Grass gewählte Form übernehmen? Oder gar von allen dreien? Das würde nur zur Imitation, zur Parodie oder zur Epigonalität führen. Auch Willy Sanders (vgl. 1990: 192.19 5) warnt: in seiner Stillehre „Gutes Deutsch — besseres Deutsch" vor direkten Übernahmen, plädiert aber für einen kreativen Umgang mit der Sprache: In jeder gelungenen Formulierung soll zwar die gegenwärtig gültige grammatische Regel wahrnehmbar sein, aber es darf, ja es muss auch.das Potential ihrer Erweiterung zu erkennen sein. Genau das nutzen die Schriftsteller - aber in einer je eigentümlichen, keinesfalls diekt nachahmbaren Weise. Nur die generelle Devise, die Regeln bewusst auszuwählen, lässt sich übernehmen.
------------------------------------------- Nicht die Frage, ob wir die Kunst tragen, stellt sich, sondern die Frage, ob wir die Kunst ertragen; ob wir die Künstler ertragen. Nicht wir haben den Künstlern irgendetwas zuzumuten; das Recht auf Zumutung liegt bei ihnen.
Um noch einmal auf das weiter oben angeführte scheinbar/anscheinend zurückzukommen: 'Anscheinend' verwendet man, wenn man auf Tatsachen hinweist, 'scheinbar' (= Anschein) umschreibt Gerüchte oder ein Gefühl.
Was das Titelthema angeht, solltest Du Dich innerlich von dem Terminus 'Hochdeutsch' verabschieden, den gibt es nämlich nicht mehr. Es heißt schon seit etlichen Jahren 'Standardsprache', das Gegenteil davon ist die 'Umgangssprache'. Damit wollte man der Schriftsprache den elitären Beigeschmack des Intellektuellen nehmen, scheint nicht ganz gelungen zu sein.
----------------------------------------------------------------------------------- »Chuck is a writer. And like all writers, he churns out draft after draft. My world, this world, nothing but failed drafts. And when he realizes that they're flawed, he moves on and tries again.« (Archangel Michael [›Supernatural‹, s14 e10])
»After everything he has put us through? I'll be damned if I'm gonna let some glorified fanboy get the last word.« (Dean Winchester [›Supernatural‹, s15 e03])
»Qualität kommt von Qual. Einer muss sich plagen, der Schreiber oder der Leser. Der Leser will aber nicht.« Wolf Schneider
Zitat aus "Sprachliche Zweifelsfälle" Duden Band 9, Auflage 09/2021:
Zitatanscheinend /scheinbar: Mit anscheinend wird die Vermutung zum Ausdruck gebracht, dass etwas so ist, wie es erscheint: Er ist anscheinend krank. Anscheinend ist niemand im Haus. Sie hat anscheinend Schweres erlebt. Das Adjektiv scheinbar sagt, dass sagt, dass etwas nur dem äußeren Eindruck nach, aber nicht in Wirklichkeit so ist, wie es sich darstellt: Die Zeit stand scheinbar still. Der Widerspruch ist nur scheinbar. Die Unterscheidung zwischen den beiden Wörtern ist relativ jung, sie wurden erst im 18. Jh. gegeneinander abgegrenzt und differenziert. So wird in der Alltagssprache weiterhin scheinbar im Sinne von »anscheinend« verwendet.
Also, eine Vermutung ist was? Tatsache? Oder ein innerer Eindruck? Also, ich vermute jetzt, dass scheinbar das gleich ist wie anscheinend.
Wenn es also im täglichen Gebrauch nicht in diesem Sinne benutzt wird, kann es vielleicht einfach sein, dass die "Sprachpfleger" von der Wirklichkeit seit Jahrhunderten überholt worden sind und es bloß noch nicht mitgekriegt haben?
Zudem haben wir hier noch mal einen weiteren Ausdruck für die ungeliebte "Umgangssprache": "Alltagssprache". Ist es denn nicht Standard, was man im Alltag verwendet? Sollte der Standard nicht dem folgen?
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Die Standardsprache gibt es, weil wir Sachen gerne normen und Normen den Alltag erleichtern. Im Prinzip spricht niemand haargenau dieselbe Sprache - es gibt czil-Deutsch, Kell-Deutsch usw. Da wir aber alle Standarddeutsch gelernt haben, können wir uns trotzdem verständigen (Sidenote: warum ist nicht Bayrisch oder Berlinerisch Standardsprache? Einfach weil die Preußen damals die Macht und die Ressourcen hatten, sich durchzusetzen). Die Standardsprache folgt sehr wohl dem Alltag, nur halt langsam und nicht regional. Kein Dialekt wird aufgenommen, aber es kann passieren, dass "wegen + Dativ" irgendwann offiziell grammatisch wird und anscheinend/scheinbar Synonyme, weil es in großen Teilen Deutschlands nunmal so benutzt wird. Mir fällt jetzt leider kein Beispiel ein, wo das schon passiert ist, aber im Prinzip ist es ja dasselbe mit Fremd- und Leihwörtern. Download steht im Duden, da gab's bestimmt einige Leute, die aufgekreischt haben - aber es wird so flächendeckend genutzt, dass es jetzt eben Standarddeutsch ist.
Sprache ist grundsätzlich etwas Flexibles, das sich ständig im Wandel befindet. Man könnte Literatur als Spielplatz für Sprache ansehen, aber sobald man kommerziellen Erfolg haben möchte, ist man wieder an einige Dinge gebunden - egal ob man selbst diese Dinge erarbeitet, z. B. grammatische Korrektheit, oder ein Freund/Lektor/wer auch immer. Du argentierst aus der künstlerischen Sicht, in der Sprache die Bausteine liefert und man damit machen kann, was man möchte. Viola, Ralf und Co. argumentieren aus der jetzigen Normsicht - wir haben nunmal festgelegte Regeln und uns darauf geeinigt, was Standardsprache ist. Beide Parteien haben mMn recht, je nachdem welches Ziel man verfolgt, macht es Sinn, eher in dem einem oder dem anderen Mindset zu denken. Es müssen ja auch beide Parteien recht haben, sonst könnten die Diskussionen ja nicht endlos sein *g*
Zitat von czil im Beitrag #32Er ist anscheinend krank. Anscheinend ist niemand im Haus. Sie hat anscheinend Schweres erlebt.
Wenn der Chef zu Hause mit Grippe im Bett liegt, dann ist er anscheinend krank. Wenn die Kollegen den Verdacht hegen, dass er sich in Wahrheit einen Tripper eingefangen hat, wird scheinbar daraus.
Zitat von Kell im Beitrag #33Kein Dialekt wird aufgenommen, aber es kann passieren, dass "wegen + Dativ" irgendwann offiziell grammatisch wird und anscheinend/scheinbar Synonyme, weil es in großen Teilen Deutschlands nunmal so benutzt wird.
Reden kann man wie man will und viele erkennen einen Genitiv im Deutschen nur noch dann, wenn er auf 's' endet (oder verwechseln Plural und Genitiv). Niemand hindert einen daran, heute schon "Das ist das Haus von meiner Mutter ihrem Schwager" zu schreiben, wenn es einem gefällt, denn Literatur steht im Grunde über dem Duden. Außerdem ist der Duden nur noch eine Dokumentationsstelle, keine Instanz mehr.
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Zitat von Viola im Beitrag #34Das ist das Haus von meiner Mutter ihrem Schwager
Du meinst sicherlich "das ist meiner Mutter ihrem Schwager sein Haus", wie man auf gepflegtem Hessisch sagen würde. Und übrigens auch auf Latein, hier ist der besitzanzeigende Dativ mit "esse" (sein) üblich, das dabei dann die Rolle eines Vollverbs nach Art von "gehören" einnimmt.
Ich würde natürlich eher zu der einfacheren Schreibweise "Das ist das Haus meines Onkels" neigen ;)
PS: Im anscheinend/scheinbar-Disput gehe ich mit dem von czil zitierten Dudentext konform; mein Rat an jeden, der "scheinbar" benutzt, ist immer, im Geiste ein "nur" davorzusetzen und zu schauen, ob dann noch alles passt.
Zitat von Ralf der Rabe im Beitrag #35Du meinst sicherlich "das ist meiner Mutter ihrem Schwager sein Haus", wie man auf gepflegtem Hessisch sagen würde. Und übrigens auch auf Latein, hier ist der besitzanzeigende Dativ mit "esse" (sein) üblich, das dabei dann die Rolle eines Vollverbs nach Art von "gehören" einnimmt.
Ich habe schon beide Formen gelesen. Wer so schreibt, denkt nicht erst über Latein nach, der schreibt einfach drauflos; und hält das, was er schreibt ggf. sogar für richtig. Ich jedenfalls habe nach der Lektüre solcher Sätze oder Absätze einen Knoten im Hirn, keine Ahnung wie es anderen da geht. Wenn ich mir einen Satz oder Absatz mindestens 4x durchlesen muss, um ihn 1x zu verstehen, steige ich aus. Ich habe fünf Jahre ehrenamtlich in einem Technikforum ausgeholfen, ich bin in der Hinsicht schwer geschädigt.^^
Zitat von Ralf der Rabe im Beitrag #35PS: Im anscheinend/scheinbar-Disput gehe ich mit dem von czil zitierten Dudentext konform; mein Rat an jeden, der "scheinbar" benutzt, ist immer, im Geiste ein "nur" davorzusetzen und zu schauen, ob dann noch alles passt.
Gute Idee, muss ich mir merken.
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Zitat von czil im Beitrag #32Zudem haben wir hier noch mal einen weiteren Ausdruck für die ungeliebte "Umgangssprache": "Alltagssprache".
Nicht ganz. Gemäß Duden ist das Gegenstück zur Alltagssprache die Fachsprache.^^
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Zitat von Ralf der Rabe im Beitrag #35Du meinst sicherlich "das ist meiner Mutter ihrem Schwager sein Haus", wie man auf gepflegtem Hessisch sagen würde.
Also auf frängisch hesst des: "Des is des Haus vom Mo von der Schwester von maner Mudder."
Beim Rest hoffe ich einfach auf einen guten Lektor.
Also, wenn der Unterschied zwischen den in Bayern gern mit "scheints" abgekürzten Wörtern wie in dem Ansatz vom Duden geschrieben, im Gegensatz zur Alltagssprache gemacht wird, dann frage ich mich jetzt, welche Fachsprache spricht Ralf?
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Vielleicht hebt das Nachfolgende den Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache klarer hervor.
ZitatStandarddeutsch: Unter Standarddeutsch (alltagssprachlich auch »Hochdeutsch«) wird in der Sprachwissenschaft normalerweise das überregionale, schriftsprachliche Deutsch verstanden, dessen Normen und Regeln in Wörterbüchern und Grammatiken festgelegt sind. Im Falle des Deutschen hat sich dieser geschriebene Standard historisch nicht aus einem bestimmten mündlichen Dialekt entwickelt; er war bis ins 19. Jahrhundert hinein noch nicht einmal mit einem solchen Dialekt verbunden, sondern hat sich als Schriftsprache selbstständig herausgebildet: Schüler mussten bei ihrem Schriftspracherwerb gewissermaßen eine neue Sprache lernen, sie konnten in diesem Prozess auch in Bezug auf Syntax und Wortbildung nicht auf ihre muttersprachliche Intuition vertrauen. In der Schweiz gilt dies bis heute. Allerdings hat sich in Deutschland und Österreich, anders als in der Deutschschweiz, diese Unabhängigkeit des schriftsprachlichen Standards von gesprochenen Dialekten und Umgangssprachen im Laufe der Zeit stark relativiert: Gesprochene und geschriebene Sprache haben sich wechselseitig beeinflusst, einander angenähert und angeglichen. Dennoch sind sie strukturell nicht identisch. Es ist daher sinnvoll, begrifflich zwischen der gesprochenen und der geschriebenen Standardsprache zu unterscheiden: Mündliche Äußerungen wie Sie ist sicherlich schon gegangen, weil ihr Mantel hängt nicht mehr an der Garderobe sind überregional verbreitet und im Gesprochenen als standardsprachlich einzustufen. Ähnliches gilt für sogenannte Apokoinukonstruktionen wie Die war letztes Mal - war die länger. Solche Äußerungen sind im Mündlichen weder fehlerhaft noch als dialektal einzustufen, sondern mit der Echtzeitproduktion der gesprochenen Sprache zu erklären: In spontaner mündlicher Rede äußern Sprecherinnen und Sprecher ihre Gedanken ohne vorherige Planung des Satzbaus, und dies führt zu spezifisch mündlichen Grammatikstrukturen. Insofern handelt es sich hier nicht um Fehler, sondern um sprachliche Konstruktionen, die der Zeitlichkeit des Mediums Lautsprache geschuldet sind. Die meisten Sprecherinnen und Sprecher des Deutschen verwenden heute in formelleren Kontexten eine Sprache, die sich in der Grauzone zwischen »Nicht-mehr-Dialekt« und »Noch-nicht-Schriftsprache« bewegt. In Bewerbungsgesprächen redet man anders als in privaten Unterhaltungen mit Freunden, im Unterricht anders als auf dem Schulhof. Ähnliches gilt aber - und dies wird oft übersehen - auch für die geschriebene Sprache: Ein Bewerbungsschreiben wird anders verfasst als eine private E-Mail, ein Zeitungsartikel anders als ein Beitrag in einem Freizeitchat. Kein Muttersprachler verwendet durchgehend die Standardsprache; insofern kann nur von einem standardnahen und einem weniger standardnahen Sprachgebrauch die Rede sein, sowohl im Mündlichen als auch im Schriftlichen. Standardnahes Sprechen und Schreiben heißt dann: sich unauffällig und sicher in verschiedenen eher formellen Kontexten bewegen können.
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»After everything he has put us through? I'll be damned if I'm gonna let some glorified fanboy get the last word.« (Dean Winchester [›Supernatural‹, s15 e03])
»Qualität kommt von Qual. Einer muss sich plagen, der Schreiber oder der Leser. Der Leser will aber nicht.« Wolf Schneider
In dem Büchlein kommt noch ein Absatz. "Überregionalität und Plurizentrik". Der ist auch sehr aufschlussreich, grad was die Abwandlungen von Grammatik und Wortschatz betrifft. Was mir in dem Teil (der am Anfang des Buches, wo über die Grenzfälle philosophiert und die Standardsprache in ihrer Sonderrolle hervorgehoben wird, fast so noch einmal vorkommt) gut gefällt ist das hier:
ZitatStandardnahes Sprechen und Schreiben heißt dann: sich unauffällig und sicher in verschiedenen eher formellen Kontexten bewegen können.
Unauffällig. Und wenn man nicht unauffällig schreiben möchte? Es gibt für Englischschreiber so eine nette Sammlung von Tipps "wie man gut schreibt". Die Sammlung ist nicht umsonst als erstes auf einer Seite der amerikanischen Verwaltung zu finden. Denn für Verwaltungstexte sollte einfache, gut verständliche Sprache Pflicht sein. Bei allem anderen? Fachsprache wird von denen geschrieben die mit dem Zeug was anfangen können. Ich mach mir gerne mal den Spaß und bringe ein Wort oder eine Wendung mit rein, das dann aneckt. Ist das dann schon schlechte "Standardsprache" (oder schlechteres Hochdeutsch? In dem von dir zitierten Buch und nicht nur dort, steht immer wieder, dass die Standardsprache uneinheitlich ist, dass sie ständiger Veränderung unterliegt und sich in vielen Punkten den Dialekten und auch der Umgangssprache angenähert hat. (Bei uns, nicht in der Schweiz) Dann kann ich auch gleich die Antwort zu meiner Aussage in dem Werk (übrigens extra die Ausgabe 2021 organisiert nachdem mich mal jemand gefragt hatte ob das Wissen das in Süskinds Buch weitergegeben wird nicht schon längst veraltet ist) nachlesen.
Zitat von czil im Beitrag #27Die Grundfrage ist: Wer bestimmt, was gutes, [richtiges in Klammern] "Hochdeutsch" ist.
Niemand.
Also ist die Diskussion darüber, was richtig und falsch ist, eigentlich müßig. Wenn mir jemand sagt, dass ein Satz verschwurbelt ist, dass man ihn kaum verstehen kann und dann sagt, das ist falsch, das sagt man im Hochdeutsch nicht so? Sollte da nicht einfach besser stehen, dass man den Satz nicht versteht, ohne Wertung? Denn eine Wertung würde tatsächlich ein Schiedsgericht voraussetzen das darüber richten kann, was in diesem Fall gilt. Und da halten sich die Sprachwissenschaftler wohlweislich raus. Zitat Duden:
Zitat"Deshalb hat die geschriebene Standardsprache hier den Status einer Leitvarietät. Damit ist aber keine Abwertung anderer Varietäten verbunden."
(Ist denn nicht immer die Bestimmung eines Leithammels die Abwertung aller anderen die sich dem unterzuordnen haben?)
Interessante Betrachtungen jedenfalls in dem Buch, auch in der Aufsatzsammlung "Was ist gutes Deutsch?". Dennoch ist es für mich schon witzig da drin zu blättern und zu sehen, dass es nicht nur ein paar Zweifelfällchen sind sondern das Buch mit solchen mehr als randvoll ist. Schätze, dass gut die Hälfte der Wörter die im "normalen" Wörterbuch stehen, da drin als Zweifelsfall gelistet sind.
Wie gesagt, ein guter Absatz. Was mir aber im Falle von Ralfs Rabenkommentar auch nicht beantwortet, in welcher der Alltagssprache gegenteiligen Sprache Ralf da schreibt. Oder redet. :)
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Ich konnte, weil ich als Kind sehr viel gelesen habe, schon immer sauberes "Standarddeutsch" schreiben und habe dafür von der Grundschule an positives Feedback bekommen. Daher hat sich mir schon von Kindesbeinen an eingeprägt, dass man "besser" ist, wenn man "fehlerfrei" schreiben kann. Nicht nur in Fachtexten, sondern auch in vierte-Klasse-Aufsätzen im Deutschunterricht. Vielleicht ist das heute anders - vielleicht ist es sogar gut, wenn es anders ist, wenn die, die weniger lesen und daher nicht die "richtige" Rechtschreibung und Zeichensetzung "im Gefühl" (eben einfach durch Nachahmen) haben, nicht so sehr benachteiligt werden und man auch eine Eins bekommen kann für gute Ideen ohne korrekte Schreibung. Keine Ahnung. Aber ich bin so aufgewachsen, dass ein ernstzunehmender Text eben auch "richtig" geschrieben sein muss. Das ist eine Wert-Einstellung, die ich bis heute habe, und wenn ich einen Text lese, der eben nicht "richtig" ist, dann ist da immer eine Stimme in meinem Kopf, die sagt: Dieser Text ist nichts wert, dieser Autor ist dumm, dieser Autor kann gar keine interessanten Ideen haben, denn er kann sie ja nicht mal richtig ausdrücken. Das ist gemein und unfair gegenüber den Autoren, und ich kann da aktiv gegen ankämpfen, aber es erfordert eine geistige Anstrengung. Das ist so, als würde mir jemand gegenüberstehen und seine Gedanken aussprechen und er würde furchtbar stinken. Da würde dann auch alles in mir sagen: "Diese Person kann nicht mal auf ihre Körperhygiene achten, wie kann sie da einen Gedanken haben, der etwas taugt" - damit würde ich der Person auch unrecht tun, und ich würde versuchen, das zu ignorieren, dass meine Nase sagt "schnell weg hier". Aber es wäre anstrengend.
Komisch-verschwurbelte Sätze akzeptiere ich dann, wenn ich weiss, dass der Autor die Sprache gut genug beherrscht, um diesen Satz normal geschrieben haben zu können, es aber absichtlich nicht getan hat, und ich idealerweise auch verstehe/einsehe, wie die Schwurbeligkeit an dieser Stelle die Geschichte unterstützt. Wenn ich stattdessen etwas lese, was aus lauter komisch-schwurbeligen Sätzen besteht und ich denke, der Autor kann das gar nicht anders, dessen Gehirn ist so verdrahtet, dass dieses komisch-schwurbelige für ihn normal ist, dann werde ich vermutlich eher resignieren und sagen: "Der ist entweder ein Depp oder ein Genie, auf jeden Fall nicht meine Liga" ;)
Zitat von Ralf der Rabe im Beitrag #42Das ist eine Wert-Einstellung, die ich bis heute habe, und wenn ich einen Text lese, der eben nicht "richtig" ist, dann ist da immer eine Stimme in meinem Kopf, die sagt: Dieser Text ist nichts wert, dieser Autor ist dumm, dieser Autor kann gar keine interessanten Ideen haben, denn er kann sie ja nicht mal richtig ausdrücken.
Uff, da habe ich dir ja ganz schön was angetan! Zum Glück musstest du mich nicht auch noch riechen!
Zitat von Ralf der Rabe im Beitrag #42Nicht nur in Fachtexten, sondern auch in vierte-Klasse-Aufsätzen im Deutschunterricht.
Es ist wirklich interessant, wie sich ausgerechnet diese Zeit in uns festbrennt. Mir ging es da genau umgekehrt. Es war egal, was ich tat, wie ich es tat, es war stets so, dass ich derjenige war, der alles verkehrt machte. Vielleicht ist meine Sturheit in der Abneigung gegenüber den "Regeln" tatsächlich auch aus dieser Zeit her begründet? [[dabei habe ich natürlich eine genaue Erinnerung im Sinn: Bei der "Klassenlehrerin" hatten wir auch Handarbeiten und wir sollten getrocknete Gräser zwischen zwei Glasplatten kleben und den Rand mit blauem Gewebe-Klebeband umkleben. Warum ich das nicht gerade geklebt hab!, schnauzte mich die Frau vor versammelter Klasse an. Reden tat die nicht. Weil das Glas schief geschnitten ist, antwortete ich und bekam zu Antwort: Das hat der Meister Auer geschnitten, das ist gerade: du hast schief geklebt. Das Bild hing bis zum Tod meiner Mutter an deren Wand und zeigte mir jeden Tag auch ohne Geodreieck, dass nicht ich der war, der schief war.]] Immerhin hast du damit vom Pygmalion-Effekt profitieren können, was ich sehr schön finde, auch wenn das bei mir praktisch das Gegenteil bewirkte. Wie auch immer. Ich weiß, dass es viel schwerer ist, es zu tun, als darüber zu reden: Sich über solch eingebrannte Verhaltensweisen hinwegsetzen. Seinen eigenen Willen über das Konditionierte, Anerzogene hinwegsetzen. [[das zu tun hat mir mal ein Psychologe empfohlen als ich ihm bei einem Bewerbungsgespräch auf seine Frage warum ich mich nicht besser verkaufen würde geantwortet hatte, dass ich dazu erzogen wurde nicht zu lügen]]
Zitat von Ralf der Rabe im Beitrag #42Das ist eine Wert-Einstellung, die ich bis heute habe, und wenn ich einen Text lese, der eben nicht "richtig" ist, dann ist da immer eine Stimme in meinem Kopf, die sagt: Dieser Text ist nichts wert, dieser Autor ist dumm,
Das immerhin ist eine ehrliche Antwort. Du bist es also, der die Regeln macht. Zumindest für dich. Denn deine Regeln die du in der 4. Klasse gelernt hast, sind zwar noch nicht Asbach, aber doch schon uralt. :)
Die Standardsprache, deren Verwendung du für Fachtexte so hochhältst, hat genau da ihre absolute Berechtigung und wird gerade da durch einen Fachkauderwelsch mehr als verhunzt. Sollte sie nicht klar, einfach, verständlich und neutral sein? Fachtexte die ich lese, strotzen nur von Anglizismen vor lateinischen und ggf. für genau den Zweck erfundenen "Fachbegriffen". Standardsprache ist die Sprache, die ich für Nachrichten, für politische Kommentare, erwarte. Das, was Journalisten verwenden sollten. (Siehe den anderen Thread, in dem ich dir »Deutsch für Profis« zitiert habe,) Standardsprache soll neutral sein, nicht anecken. Verflixt, wo denn wenn nicht in der Kunst, darf denn dann was anecken? Das Spiel mit der Sprache? Warum nicht? Weil es da Regeln gibt. Weil die Regeln heilig sind! Und weil sie uns in der vierten Klasse eingebläut wurden! Picasso hat mit 16 Jahren so realistisch gezeichnet dass einem die Ohren schlackern. Offenbar hatte sein Vater mit der künstlerischen Erziehung (und dem Pygmalion-Effekt) Erfolg. Picasso kannte die »Regeln« (»wie halte ich den Bleistift«) und, er war einfach auch ein guter Handwerker. Und er hat drauf gepfiffen. [[und ich mag kein einziges seiner Bilder die er produziert hat als er älter als 16 war]]
Gut. Soweit zu deiner Meinung, deinen Schmerzen. Komme ich doch noch mal zum Anfang. Meine Frage war ja, wer die Regeln ob "Hochdeutsch" (wie es in der Umgangssprache genannt wird) bzw, "Standarddeutsch" gut und richtig ist, denn macht. Als Beispiel hatte ich unsere kleine Randdiskussion in irgendeinem Thread genommen: Scheinbar/Anscheinend. Dabei bin ich nun in Recherchen auf den Begriff der Alltagssprache - die weit weg von der Umgangssprache steht in den Definitionen des schlauen Buches vom Dudenverlag - gestoßen. Der Gegensatz zur Alltagssprache ist nicht die Umgangssprache, wie @Viola mit dem Zitat aus ebendem Büchlein geklärt hat. Du bist einer derjenigen, die auf diesem Unterschied bestehen. In dem »Standardwerk« der Regeln auf die du dich gerne berufst ist das so ausgeführt, dass der Unterschied in der »Alltagssprache« nicht gemacht wird. Folglich müsste der Unterschied im Gegenteil dazu gemacht werden: Der Fachsprache. Was ist das dann für eine Fachsprache? Oder steht in dem Dudenband was falsches?
Oder trifft eher das zu:
Zitat von Ralf der Rabe im Beitrag #42"Der ist entweder ein Depp
?
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Ich weiss nicht, ich hab darauf keine wissenschaftliche Antwort, aber mir missfällt diese angebliche Zweiteilung, dass alles, was nicht Alltagssprache ist, Fachsprache sein muss. Wenn einer mir sagen würde, ein Roman sei in Alltagssprache geschrieben, würde ich das nicht als Empfehlung verstehen. Ist der Roman in Fachsprache geschrieben, find ich das aber bestimmt auch nicht gut. Wenn einer "im Alltag", zum Beispiel in einem Brief oder gar in einem Gespräch, scheinbar und anscheinend gleich verwendet, finde ich das nicht schlimm. Wenn es in einer Gebrauchsanleitung steht oder auf der Webseite der Landesregierung oder gar in einem Roman, dann denke ich, da hätte man sich aber etwas mehr Mühe geben können. So wie man sich auch bei "Alltagskleidung" ein bisschen Mühe geben kann, ohne dass sie dadurch gleich zur "Abendgarderobe" wird. Doofes Beispiel, jetzt bringe ich wieder die Mode rein und man wird mir erzählen, dass Dinge, die man heute schick findet, vor 50 Jahren hässlich waren und umgekehrt.
Ich bin der Ansicht, dass die Gleichsetzung von "anscheinend" und "scheinbar" immer falsch ist, bin aber je nach Kontext bereit, eine für mich fehlerhafte Sprache eher zu akzeptieren. (Ich verwende selber zum Beispiel beim Sprechen zuweilen Formulierungen der Art "ich tu auch nicht dreimal am Tag duschen", wohl wissend, dass das nicht korrekt ist, oder benutze im Alltag irgendwelche Anglizismen, von denen ich annehme, dass der Empfänger der Nachricht gar nicht weiss, dass es ein Anglizismus ist, und es deswegen auch egal ist.)
Du hingegen scheinst einen Definitionsrahmen zu suchen - oder gefunden zu haben - in dem die Gleichsetzung von "anscheinend" und "scheinbar" richtig ist, so dass man einen nach meinen Maßstäben fehlerhaften Text einfach qua Etikett ("das hier ist XY-Sprache") "korrekt" machen und Korinthenkackern wie mir damit sämtliche Luft aus den Segeln nehmen kann. Wenn jeder selbst definieren kann, was bei ihm richtig und falsch ist, dann kann der Ralf sich sein Sprachpolizei-Gehabe in die Haare schmieren. Und das ist wahrscheinlich auch richtig so, denn wie schon tausendfach in dieser und anderen Diskussionen angemerkt, die Sprache ist letztlich ein Kommunikations-Instrument und muss sich anpassen, um diesem Zweck dienen zu können. Da stehen Leute wie ich dann auf verlorenem Posten, mit ihren alten Regeln, auf die sie pochen. Aber man kann halt nicht immer bei den Siegern sein, und bis ich endgültig zum alten Eisen gehöre, muss ich das noch auskosten. Die Rechtschreibreform war schon ein harter Brocken für mich ;)
Zitat von czil im Beitrag #43Uff, da habe ich dir ja ganz schön was angetan!
Als ich Deinen "Rechtshänder" gelesen hab, hab ich eigentlich weder gedacht, Du müssest ein Genie sein, noch, du müssest ein Depp sein, sondern eher so: "Da hätt er ja schon nochmal drüberlesen können bevor er sich so viel Mühe mit dem Schriftsatz macht". Es wirkte auf mich ein bisschen so wie so ein Hassliebe-Produkt, bei dem der Autor ewig dran arbeitet und irgendwann am Ende den letzten Punkt setzt und dann seufzt: "So, jetzt ist es endlich fertig und ich werd den Teufel tun es nochmal durchzulesen" ;)
Ich verfolge mit großem Interesse und noch gößerem Schmunzeln diese Unterhaltung. Die ganze Zeit frag ich mich, ob es beim Schreiben bzw. Lesen nicht auf die Botschaft oder das Gefühl ankommt, das ein Text vermitteln oder erzeugen will? Für mich ist es das Wichtigste, was mich interessiert. Ich komme gar nicht auf die Idee nach richtigem Deutsch oder Ähnlichem zu achten. Natürlich ist auch für mich die Rechtschreibung ganz wichtig, aber das versteht sich irgendwie von selbst.
Mich erinnert es daran, dass ich vor langer, langer Zeit eine Ausbildung zur Hotelfachfrau gemacht habe. Man lernte u.A. auch die Bedienung im Restaurant für den gehobenen Anspruch. Eine ganze Weile konnte ich nicht Essen gehen, ohne darauf zu achten, ob die Bedienung alles richtig gemacht hat. Für das gute Essen hatte ich kaum Aufmerksamkeit. Geschweige denn, dass ich es mit Genuss essen konnte. So ähnlich empfinde ich auch die Frage, ob man nur etwas lesen kann, wenn dieser Anspruch erfüllt wird.
Zitat von Ralf der Rabe im Beitrag #44Du hingegen scheinst einen Definitionsrahmen zu suchen - oder gefunden zu haben - in dem die Gleichsetzung von "anscheinend" und "scheinbar" richtig ist, so dass man einen nach meinen Maßstäben fehlerhaften Text einfach qua Etikett ("das hier ist XY-Sprache") "korrekt" machen und Korinthenkackern wie mir damit sämtliche Luft aus den Segeln nehmen kann. Wenn jeder selbst definieren kann, was bei ihm richtig und falsch ist, dann kann der Ralf sich sein Sprachpolizei-Gehabe in die Haare schmieren.
Nun, zum Teil gebe ich dir da recht: Ich suche einen Definitionsrahmen und nehme dazu eines der Standardwerke die dabei hilfreich sein können: Band 9 der Duden Serie, der sich mit sprachlichen Zweifelsfällen beschäftigt. Die Definition die dort unter dem Lemma anscheinend/scheinbar angegeben ist, verweist auf die »Alltagssprache«, nicht auf die Umgangssprache, wie ich das erwartet hätte/hatte. Da sich in dem gleichen Buch die Definition dieser Variationen befinden und darin die Alltagssprache als Gegensatz zur Fachsprache setzen, stellt sich mir halt einfach die Frage, ob das nun ein Fehler in dem Buch ist. Denn du stehst ja auf dem Standpunkt, dass das zum Standarddeutsch gehört. Das wird aber in dem Band wiederum als eine eigenständige Variation angesehen. Ich war mal so frei und habe diese Frage an die Dudenredaktion geschickt, da sich mir das auch nach nochmaliger Lektüre der Einführung nicht erschlossen hat.
Zitat von Sonntagscafe im Beitrag #46Natürlich ist auch für mich die Rechtschreibung ganz wichtig, aber das versteht sich irgendwie von selbst.
Dafür sind in Verlagen Lektoren beschäftigt, das zu garantieren. Komischerweise habe ich in den letzten Jahren kaum ein Buch gefunden, das nicht mindestens einen das/dass-Fehler hat. Die Dinger übersieht man einfach irgendwann mal. (selbst meine Tochter, die ich schon mal F7 (das ist die Funktionstaste die bei Word die Rechtschreibkontrolle aufruft) nenne, hat in ihren Texten Tippfehler drin die sie einfach nicht mehr sieht. Wobei das bei ihr eher im Promillebereich liegt. Und, da gebe ich Ralf voll und ganz recht, irgendwann hat man als Autor die Schnauze voll von seinem Text. Schlimmer noch, wenn man es grundsätzlich vermeidet Bücher zweimal zu lesen, weil man ja schon weiß, wie es ausgeht. :) Wenn dann der Lektor das auch nicht findet?
Zitat von Sonntagscafe im Beitrag #46Geschweige denn, dass ich es mit Genuss essen konnte.
Der Vergleich ist gut, drückt so ziemlich das aus, was ich meine. Es ist nicht die Legitimation fürs Falschmachen die ich mit der Diskussion erreichen möchte.
Wenn man sich auf einen Standard beruft, den man zur »Verdammung« von bestimmten Ausdrucksformen benutzt, dann sollte es doch möglich sein, den auch anzugeben, oder?
Zitat hier von dem schon erwähnten Band 9, das am ehesten bisher meine Frage beantwortet:
Zitat von DUDEN, Band 9»Aber wer legt eigentlich den Standard fest? Es gibt keine für die Normierung sämtlicher sprachlicher Ebenen institutionalisierte Norminstanz für das Deutsche. … Auch wenn der Rat für deutsche Rechtschreibung in regelmäßigen Abständen Empfehlungen des Regelwerks ausspricht (…) und damit normsetzend tätig wird, so bleibt dieses Normierungshandeln klar auf den Bereich der Rechtschreibung beschränkt. Für alle anderen Ebenen der Sprache – also etwa Lexik, Grammatik, Stil und Text – gibt es keine dem Rat für deutsche Rechtschreibung vergleichbare Institution. … Die Systemeigenschaften und Normen der deutschen Sprache existieren also nicht, weil sie jemand aufgeschrieben und festgelegt hat, sondern weil sie sich im Sprachgebrauch konventionalisiert haben.«
Und ansonsten bin ich jetzt wirklich gespannt, ob und was ich auf die Frage als Antwort bekomme. :)
------------------------------------------- Nicht die Frage, ob wir die Kunst tragen, stellt sich, sondern die Frage, ob wir die Kunst ertragen; ob wir die Künstler ertragen. Nicht wir haben den Künstlern irgendetwas zuzumuten; das Recht auf Zumutung liegt bei ihnen.
Ich verfolge eure Diskussion seit einiger Zeit und bin mir nicht mehr ganz sicher, um was es geht. Die Ursprüngliche Frage war doch:
Zitat von czil im Beitrag #1Woran orientiert ihr euch, wenn ihr von dem Konstrukt "Hochdeutsch" sprecht. Vor allem woran, wenn es auch noch "sauber" sein soll?
Für mich stellt sich diese Frage nicht. Na klar, Rechtschreibung und Zeichensetzung sollten passen. Fehler, gerade in einem Roman wird es immer geben. selbst nach der 100sten Durchsicht und Lektorat werden noch welche übrigbleiben. Daran ist noch niemand gescheitert. Was eine gute Geschichte unter anderem ausmacht, ist die spezifische Sprache. Ich arbeite an mehreren Projekten. In einem ist der Protagonist deutschstämmig, wuchs aber in den USA auf. Er hat dort studiert und es sogar zu einem Doktortitel gebracht. Im zweiten geht es um einen hard-boiled Detektiv mit Hang zu gutem Whiskey und einer sehr zynischen Ader. Beide Projekte unterscheiden sich sehr von der Sprache. Auch in den Erzählteilen und nicht nur der wörtlichen Rede. Die flapsige Erzählweise aus dem Detektivprojekt spicht (hoffentlich) eine gewisse Zielgruppe an. Im anderen Projekt geht das Ganze eher in ein Richtung, die einen höheren Bildungsstand vermitteln soll. In beiden versuche ich, die Herkunft und Lebenserfahrung der Protagonisten darzustellen. Ich schreibe aber auch Krimis und Thriller. da erwartet der normale Leser kein hochtrabendes Deutsch. Anders, bei anspruchsvoller Literatur, mit der ich persönlich aufgrund der fehlenden Persönlichkeit nichts anfangen kann.
Zur Zeit läuft die Abstimmung eines Schreibwettbewerbs, an dem ich teilnehme. Die einzelnen Geschichten werden nach und nach veröffentlicht. Ich überlege, meinen Beitrag zurückzuziehen. Sprachlich sind bisher erschienen Beiträge nicht unbedingt verkehrt. Es sind jedoch andere Dinge, die mir nicht gefallen. Grundsätzliche Einhaltung oder besser deren Fehelen von Formaten wie einheitliche Schriftgröße oder der Gebrauch der wörtlichen Rede. Wortwiederholungen bis zum Exzess. Massenhafter Begrauch von Adjektiven. Diese Dinge stören mich vielmehr und töten den Lesefluss, als rein sprachliche Fehler.
Zitat von MattD im Beitrag #48Zur Zeit läuft die Abstimmung eines Schreibwettbewerbs, an dem ich teilnehme. Die einzelnen Geschichten werden nach und nach veröffentlicht. Ich überlege, meinen Beitrag zurückzuziehen. Sprachlich sind bisher erschienen Beiträge nicht unbedingt verkehrt. Es sind jedoch andere Dinge, die mir nicht gefallen. Grundsätzliche Einhaltung oder besser deren Fehelen von Formaten wie einheitliche Schriftgröße oder der Gebrauch der wörtlichen Rede. Wortwiederholungen bis zum Exzess. Massenhafter Begrauch von Adjektiven. Diese Dinge stören mich vielmehr und töten den Lesefluss, als rein sprachliche Fehler.
Aber sind nicht etliche hier um genau das zu lernen oder zu üben? Sind diese Schreibübungen nicht ein gutes Mittel? Ich denke, darum gehr es ja.....damit man auf Fehler, Wortwiederholungen und was sonst noch den Lesefluss stören könnte, aufmerksam gemacht wird. Was ist daran falsch?
Um auf das ursprüngliche Thema zurückzukommen. Auch ich verfolge diesen Thread und denke, dass es manchmal fast schon wissenschaftlicht abgehandelt wird. Im Grunde sehe ich es so wie Du, jedes Genre verlangt eine andere Sprache, je nachdem welche Leserschicht man ansprechen möchte. Bleibt die Frage, ob es überhaupt ein richtiges gutes Hochdeutsch geben kann, dann würden sich alle Bücher sprachlich kaum unterscheiden. Denn ein flapsiger Detektiv wird immer anders sprechen als ein Wissenschaftler und sicher nicht in perfektem Hochdeutsch.
Die meisten großen Taten, die meisten großen Gedanken haben einen belächelnswerten Anfang. (Albert Camus)
Zitat von Rebecca im Beitrag #49Aber sind nicht etliche hier um genau das zu lernen oder zu üben? Sind diese Schreibübungen nicht ein gutes Mittel? Ich denke, darum gehr es ja.....damit man auf Fehler, Wortwiederholungen und was sonst noch den Lesefluss stören könnte, aufmerksam gemacht wird. Was ist daran falsch?
Ich meinte damit auf keinen Fall die Übungen hier im Forum. Die sind spitze und haben mich sehr viel weitergebracht. Ich rede von einem Schreibwettbewerb, bei dem es sogar ein Preisgeld gibt. Sehe ich da Texte, die es in die engere Auswahl schaffen, aber nicht einmal ein Minimum an Formatierung einhalten. Oder ein Minimum dessen missachten, was gemeinhin unter einem guten Schreibstil verstanden wird, dann habe ich meine Bedenken.