In dem Thread ging es zwar um ein paar konkrete Beispiele, doch diese Aussage hat mich jetzt dazu veranlasst, mal diese Fragen zu stellen: Was ist für euch Hochdeutsch, existiert für euch in Deutschland eine "Hochsprache"? Sind andere "Deutsch" (im Duden oft als Varietäten gekennzeichnet) schlechter?
Woran orientiert ihr euch, wenn ihr von dem Konstrukt "Hochdeutsch" sprecht. Vor allem woran, wenn es auch noch "sauber" sein soll?
Am Spiegel? An der SZ/FAZ/*-Zeitung? Am Fernsehdeutsch? Am angeblich "reinsten Hochdeutsch", dem Hannoveraner Platt? Büchern? Woran?
-------------------------------------------- »Das ist der Marquis de Carabas«, sagte er. »Er ist ein Lügner und Betrüger und vielleicht sogar so etwas wie ein Ungeheuer. Wenn du je in Not bist, geh zu ihm. Er wird dich beschützen, Mädchen. Er muss.« Neil Gaiman
An (in meinen Augen) stilistisch und grammatikalisch sauberen Büchern, Regeln und dem, was ich von Kindesbeinen an gelernt habe. Aber ich glaube, das Bücherlesen hat und hatte den größten Einfluss auf das, was man gemeinhin so Sprachgefühl nennt. Und ja, in vielen Situationen empfinde ich persönlich "Nicht-Hochdeutsch" in Texten als Schwachstelle oder gar störend, sofern es denn wirkt wie unabsichtlich eingebaut. Vielleicht, weil ich aus einer Welt komme, in der großer Wert darauf gelegt wurde, "Alltagsdeutsch" und "richtiges Deutsch" unterscheiden zu können. Umgekehrt kann es als bewusst verwendetes Stilmittel aber natürlich auch toll sein.
Spring erst und schau dann, wo du gelandet bist. Aber fall dabei auf die Füße.
Hochdeusch bedeutet für mich ohne dialektischem Einfluss in der Sprache und deutlich und sauber ausgesprochen. Geschrieben sollte es Dudenkorrekt (das kann ich so gar nicht) sein und möglichst frei von regionalen Begriffen. Aber ich selbst kann das meist nicht unterscheiden. Weil ich ein Kind meiner Umgebung bin. Lesen prägt am meisten. Das bemerke ich immer dann, wenn ich Bücher aus früheren Zeiten lese. Das färbt dann auch auf meine eigene Form des Schreibens ab. Leider rede ich meist, wie mir der Schnabel gewachsen ist und deswegen kommen mir beim Schreiben dann auch umgangssprachliche Redewendungen unter, was nicht als Stilmittel gedacht ist und ich es selbst nicht immer bemerke. Also hat auch unser eigener Sprachstil Auswirkungen auf unseren Schreibstil.
Randbemerkung: Die Bezeichnung "Hochdeutsch" wurde schon vor Jahren zu "Standarddeutsch" abgeändert, um dem Beigeschmack des Elitären die Schärfe zu nehmen. Die sog. Literatursprache hingegen ist an sich keinem Reglement unterworfen, wer seiner Muttersprache jedoch nur auf Pidgin-Niveau mächtig ist (und davon gibt es erschreckend viele, wenn man sich in Foren umschaut die nichts mit Literatur zu tun haben), sollte die Wahl seines Hobbys noch einmal überdenken.
----------------------------------------------------------------------------------- Nichts was ich schreibe, ist in irgendeiner Hinsicht wertend gemeint, wenngleich es so rüberkommen mag. Ich beschränke mich auf formale Kriterien sowie stilistische Aspekte, die nicht unbedingt als allgemein gültig zu betrachten sind. Was den Inhalt einer Geschichte angeht, versuche ich neutral zu bleiben. Ich vermag nicht zu beurteilen, ob eine Geschichte alle Ingredienzen hat, um ein bestimmtes Leserpublikum zu erreichen, da fällt meine persönliche Meinung kaum ins Gewicht, sie wäre ohnehin rein analytischer Natur und dem Autor womöglich nicht willkommen.
»Qualität kommt von Qual. Einer muss sich plagen, der Schreiber oder der Leser. Der Leser will aber nicht.« Wolf Schneider
Gute Frage. Generell würd ich schon sagen, Duden plus Literaturquerschnitt, allerdings muss man bei der Literatur etwas vorsichtig sein, schon bei Hesse finden sich Wörter, die ich heute zumindest unterschlängeln würde, und Goethe geht gar nicht mehr (und das nicht nur wegen der Rechtschreibreform). Es gibt den Alltagswortschatz, dann noch einen Plus-Wortschatz an schönen und selteneren Worten, bei denen ich mich immer freue, wenn sie jemand benutzt, und dann noch einen Dachboden mit Zeugs, wenn das jemand verwendet, dann denke ich, der will wohl besonders intellektuell rüberkommen. (Manchmal stellt sich dann raus, derjenige ist aus Österreich und bei ihm ist das ein 08/15-Wort - oder vielleicht, und damit wären wir zurück beim Thema, ist das Wort auch in einem bestimmten Dialekt ganz normal.)
Hochdeutsch ist weder hinreichende noch notwendige Bedingung für gute Literatur, aber jemand, der kein Hochdeutsch schreibt, schreibt natürlich für eine kleinere Zielgruppe. So wie wenn ich einen Krimi im Teilchenphysik-Milieu schreiben würde. Verstehen halt nicht so viele. Aber bei denen, die es verstehen, wird das Buch vielleicht Kult ;)
Muss nicht unbedingt was mit "der will wohl besonders intellektuell rüberkommen" zu tun haben, vielleicht hat derjenige diese Ausdrucksweise so verinnerlicht, dass sie zu einer zweiten Haut geworden ist und er nicht einmal mehr merkt, dass er sich nicht... sagen wir 08/15-haft ausdrückt.
----------------------------------------------------------------------------------- Nichts was ich schreibe, ist in irgendeiner Hinsicht wertend gemeint, wenngleich es so rüberkommen mag. Ich beschränke mich auf formale Kriterien sowie stilistische Aspekte, die nicht unbedingt als allgemein gültig zu betrachten sind. Was den Inhalt einer Geschichte angeht, versuche ich neutral zu bleiben. Ich vermag nicht zu beurteilen, ob eine Geschichte alle Ingredienzen hat, um ein bestimmtes Leserpublikum zu erreichen, da fällt meine persönliche Meinung kaum ins Gewicht, sie wäre ohnehin rein analytischer Natur und dem Autor womöglich nicht willkommen.
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Zitat von Ralf der Rabe im Beitrag #5schon bei Hesse finden sich Wörter, die ich heute zumindest unterschlängeln würde
Das finde ich jetzt wiederrum fast ein wenig befremdlich. Warum? Weil Hesse mehr Worte kennt als du? Von Thomas Mann wird gerne behauptet, dass er den größten Wortschatz aller deutschen Schriftsteller bisher verwendet hat. Ich mag ihn nicht, weil seine Sprache so gestelzt klingt wie nur irgendwas, künstlich, aber um seinen Wortschatz könnte ich ihn beneiden.
Zitat von Ralf der Rabe im Beitrag #5ist das Wort auch in einem bestimmten Dialekt ganz normal.
Mir fällt auf, dass die "Verstehwilligkeit" was Dialekte oder auch Umgangssprachliches in "gebildeten" Texten sehr häufig von Menschen aus NRW sehr gering ist. (Das ist eine "empirische Privatbeoabachtung". Beruht auf vielen verständnislosen Blicken bei Kollegen die aus NRW kommen, wenn ich Worte verwende die im Süddeutschen Raum, also Baden Württemberg, Bayern, Österreich, Südtirol, sogar oft Sachsen vollkommen normal sind und vor allem auf dem vollkommenen Unverständnis z.B. österreichischer Lieder wie z.B. von Peter Cornelius oder Ludwig Hirsch, die ja nur gefärbt singen) Ist hier einfach die alte Weisheit aktiv: "Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht"?
Zitat von Inyara im Beitrag #2Vielleicht, weil ich aus einer Welt komme, in der großer Wert darauf gelegt wurde, "Alltagsdeutsch" und "richtiges Deutsch" unterscheiden zu können.
Also ist das "Standarddeutsch", das "richtige Deutsch" doch etwas für Priveligierte, weil es selbst priveligiert ist?
Zitat von Ralf der Rabe im Beitrag #5schreibt natürlich für eine kleinere Zielgruppe. So wie wenn ich einen Krimi im Teilchenphysik-Milieu schreiben würde.
Das wäre doch mal was. Hier muss ich wieder zu Thomas Mann kommen, seinen "Doktor Faustus" hat er wohl wegen der Schwierigkeiten und Längen bei seinen Ausführungen zur Musiktheorie ziemlich gekürzt aber nicht konsequent, dass ihm dabei nicht Fehler unterlaufen waren. Hat sich aber bestimmt auch gut verkauft. Sicher erreichst du mit einem einfacheren Wortschatz, einem einfacheren "Deutsch" ein anderes Publikum als mit den hochgedrechselten Kilometersätzen. Frei nach dem Motto: "Die Guten kommen ins Simmelreich, die Bösen in die Bölle."Aber das war je eigentlich nicht so die Frage. Ist Simmels einfachere Sprache deswegen besser, mehr wert als die verschwurbelte Manns oder Bölls? Und degradiert die Verwendung von Mundart, Dialekt die Sprache tatsächlich?
Zitat von Viola im Beitrag #4wer seiner Muttersprache jedoch nur auf Pidgin-Niveau mächtig ist (und davon gibt es erschreckend viele, wenn man sich in Foren umschaut die nichts mit Literatur zu tun haben), sollte die Wahl seines Hobbys noch einmal überdenken.
Meinst du hier im Netz Geschriebenes?
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Zitat von czil im Beitrag #7Zitat von falky67 im Beitrag #3Hochdeusch bedeutet für mich ohne dialektischem Einfluss in der Sprache und deutlich und sauber ausgesprochen Das ist jetzt interessant, denn Standarddeutsch ist an sich ja selbst ein Dialekt der deutschen Sprachen.(https://de.wikipedia.org/wiki/Ausgleichssprache)
Ich meine das so, dass man Dialekt spricht, den versteht aber nicht jeder. Es geht da nicht nur um bestimmte Wörter, sondern wie welche ausgesprochen werden und somit dem Dialekt angepasst. Hochdeutsch hat für mich nun den Anspruch, ausgesprochen für jeden verständlich zu sein. Voraussetzung ist, dass man einen genügend großen Wortschatz kennt. Beispiel: Isch gloobs dor ni Ich glaube es nicht.
Zitat von czil im Beitrag #7Weil Hesse mehr Worte kennt als du?
Ich meinte eigentlich genau aus dem Grund, den Du im nächsten Absatz zu Thomas Mann geschrieben hast. Wenn einer heute schreibt "mir dünkt, da vorn ist ein Verkehrunfall" (oder gar im Präteritum: mir deuchte), dann freue ich mich, dass sich jemand noch an das Wort erinnert, aber ich unterschlängle es trotzdem, weil es einfach in einem zeitgenössischen Text keinen Platz mehr hat und die ganz falschen Signale sendet (nämlich: Hier ist ein Autor, der die Welt von 1850 besser findet als unsere). Ausser vielleicht, wenn die Schreibaufgabe heisst "schreiben Sie einen Text im Stil der Jahrhundertwende".
@czil : Also, ob Standarddeutsch jetzt selbst privilegiert ist, weiß ich nicht. Aber bei uns damals (ich komme aus dem Saarland ursprünglich, nur, um vielleicht auch deiner Theorie der Menschen aus NRW was entgegenzusetzen (auch wenn ich mittlerweile ja in NRW wohne --> wo übrigens alles andere als sauberes Standarddeutsch gesprochen wird)) war das "Hochdeutsch" schon irgendwie was für Privilegierte. Bzw für die, die was drauf gaben, sich die Mühe gemacht haben. Nun komme ich aus einer Familie, in der auf Sprache total viel Wert gelegt wurde. Das habe ich auch irgendwie übernommen. Bei uns wars halt so, dass "die weniger Gebildeten / Weltgewandten" bzw auch die, denen ihre Sprache egal war, einfach kein vernünftiges Hochdeutsch konnten (und können). Nicht, weil sies absichtlich nicht wollen würden, sondern weil sies schlichtweg nicht beherrschen. Also in gewisser Weise natürlich schon "privilegiert". Was glaubst du, wie ich Bauklötze gestaunt habe, als ich dann zum Studium ausgerechnet nach Hannover kam, wo sogar die Obdachlosen mit Bierflasche in der Hand auf Hochdeutsch streiten! ;-) Für mich war das der größte Kulturschock irgendwie. Sowas würde dir im Saarland garantiert nicht passieren, dass wer im halbbesoffenen Kopp auf der Straße auf Hochdeutsch streitet! Es gibt und gab übrigens auch jede Menge Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens, die kein ordentliches Standarddeutsch können und vor laufender Kamera durch ihre hilflosen Versuche sofort jedem mitteilen, hier, schau, besser kann ichs nicht ... Witzigerweise stört mich das viel weniger, wenn die aus Bayern oder Baden-Würtemberg kommen, als wenn sie aus dem Saarland sind oder gar aus Sachsen ... Frühkindliche Prägung, nehme ich an. Aber ich bin da eh eigen. Gebe ich zu.
Spring erst und schau dann, wo du gelandet bist. Aber fall dabei auf die Füße.
Es ist mir in den letzten Jahren aufgefallen, dass so manche vormals nur im Dialekt benutzte Wendung Eingang in die Literatur gefunden hat. das für Bayern typische - ich bin dort gestanden statt des hochdeutschen ich habe dort gestanden lese ich verstärkt in diversen Büchern. Vielleicht ist das ein Zeichen, dass diese ursprünglich nur regionalsprachlich korrekte grammatische Konstruktion allmählich Eingang in die Hochsprache findet. Ähnlich geht es mir mit einer Formulierung, bei der sich mir immer die Zehnägel aufrollen - bei dem mit "weil" statt "denn" eingeleiteten Hauptsatz, der sich vor allem in Interviews und Statements findet. Wir müssen alle Maske tragen, weil - wir haben Corona. ( Korrekt wäre: Wir müssen alle Maske tragen, denn wir haben Corona. oder Wir müssen alle Maske tragen wegen Corona. oder Wir üssen alle Maske tragen, weil wir Corona haben.) Wenn so etwas immer wieder in gesprochenen und auch geschriebenen Texten auftaucht - ist das dann weniger falsch, weil es so viele machen? Und ab wann ist es dann korrektes Deutsch? Wer bestimmt das? Auf jeden Fall ist es ein Indiz dafür, dass Sprache einem lebendigen Organismus vergleichbar ist - es gibt immer Bewegung und Veränderung.
Und Dialekte zu verstehen und zu sprechen ist, auch wenn das in der Literatur oft so verwendet wird, ist nicht immer ein Zeichen geringer Bildung. Das, was wir heute sprechen und schreiben hat sich ja aus der sächsischen Kanzleisprache entwickelt. Deshalb ist ein Satz so falsch nicht, der oft für Lacher sorgt: Bloß gud, dass mir Sachsen kee Dialegd ham.
turbo
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Zitat von turbo im Beitrag #11bei der sich mir immer die Zehnägel aufrollen - bei dem mit "weil" statt "denn" eingeleiteten Hauptsatz, der sich vor allem in Interviews und Statements findet.
So geht es mir mit wenn ein Hautsatz eingeleitet wird mit 'desto'. 'Desto mehr ich trinke, desto öfter muss ich zum Klo', statt 'Je mehr ich trinke, desto öfter muss ich zum Klo'. Das tut mir jedesmal richtig weh. Aber das wird sogar ganz offiziell benutzt.
Liebe Grüße
Renate
„Die schlimmste Sünde, die wir unseren Mitgeschöpfen antun ist nicht, sie zu hassen, aber zu ihnen gleichgültig zu sein: das ist das Wesentliche der Unmenschlichkeit“ George Bernard Shaw
Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen
Zitat von turbo im Beitrag #11Wir müssen alle Maske tragen, weil - wir haben Corona.
Jemand, der mit Hörgeschädigten arbeitet, hat mir mal gesagt, dass das in der Gebärdensprache so formuliert wird: X weil Y.
Zitat von Sonntagscafe im Beitrag #12Desto mehr ich trinke, desto öfter muss ich zum Klo
Es gibt auch die ebenso falsche Form "Je mehr ich trinke, je mehr muss ich zum Klo".
Viel schlimmer als all die Fehlerchen, die einem üblicherweise-Dialekt-Sprecher unterlaufen, wenn er Standarddeutsch schreiben will, finde ich es, wenn jemand so ein absolut verquastes Deutsch voll komplizierter Worte schreibt, dem dann aber sowohl Kommata als auch inhaltlich schlüssiger Aufbau fehlen. Da denke ich vorallem so an linksradikale Flugblätter aus der Zeit, als es die RAF noch gab.
Dazu fand ich heute auch zwei drei nette Artikel, die sich mit dem scheinbar/anscheinend beschäftigen. Du hast recht, wenn du das unterringelst, aber die Frage ist jetzt auch wieder die nach dem "guten" Deutsch. Wenn die Mehrheit der Menschen die diese Sprache sprechen den Unterschied nicht kennen und sogar in Wiktionary beide füreinander als Synonym stehen, was ist dann dran verkehrt? Die künstlich eingeführte Unterscheidung?
Zitat von bastiansick Das Wissen um den Bedeutungsunterschied zwischen „anscheinend“ und „scheinbar“ ist nicht sehr weit verbreitet. Meistens wird „scheinbar“ in der Bedeutung „anscheinend“ (d. h. allem Anschein nach) gebraucht.
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@czil Zumindest der Verlag hat genau diese Unterschiede an meinem Text bemängelt. Es mag zwar das breite Publikum nicht interessieren, den Verlag anscheinend schon (oder doch scheinbar?).
Das ist interessant. Es gibt da noch sowas, und das sind die Kommata beim "und". Ich habe in meinen ersten Tagen hier im Forum gnadenlos angemäkelt, wenn ein "und" zwei vollständige Sätze verband und kein Komma vor sich trug. Der*die aufmerksame Leser*in wird bemerkt haben, dass ich beide Fälle in den Sätzen 2 und 3 dieses Beitrags bereits illustriert habe, aber nochmal zur Deutlichkeit:
"Ich gehe vor die Tür und zünde mir eine Zigarette an." - rechts vom "und" fehlt das Subjekt, es ist kein vollständiger Satz, ergibt nur zusammen mit dem Rest einen Sinn. Kein Komma.
"Ich gehe vor die Tür, und Katja bleibt alleine in der Wohnung zurück." - links und rechts vollständige Sätze. Mit Komma.
Ich wurde dann darauf aufmerksam gemacht, dass es völlig korrekt sei, im Fall 2 kein Komma zu setzen, und in der Tat, sowohl der Duden als auch ein von mir befragter Abiturient bestätigen das. (Der Duden "empfiehlt", ein Komma zu setzen, wenn die Sätze länger werden.)
Für mich kostet es nach wie vor immer etwas Überwindung, über so ein (für mich) fehlendes Komma hinwegzusehen. Fast alle, die hier im Forum schreiben, lassen diese Kommata grundsätzlich weg, egal, wie lang die Sätze werden. In der "professionellen" deutschsprachigen Literatur (sprich: von mir gekaufte Romane) bleibe ich fast nie an so einem (für mich) fehlenden Komma hängen. Es kann sein, dass ich ab und zu was überlese (weil ich mit dem Roman auf dem Sofa weniger im Feedback-Modus bin), aber ich bin normalerweise ziemlich pingelig, was (für mich) Fehler in gekaufter Literatur betrifft. Mein Verdacht ist also, dass die Lektoren dieser Welt - oder die Korrektoren - diese von mir geschätzten Kommata großzügig einstreuen, obwohl ihr Fehlen kein "Fehler" nach Duden ist.
Was wiederum bedeutet: Es gibt - irgendwo da oben auf dem Lektoren-und-Korrektoren-Olymp - eine Definition von "guter aktueller deutscher Schriftsprache für Romane", die von dem abweicht, was laut Duden "richtig" ist. Keine Ahnung, ob das irgendwie formalisiert existiert, oder nur als überlieferte Branchentradition.
Und über das "oder" im letzten Satz sprechen wir ein anderes Mal ;)
ZitatZitat Wolf Schneider - Deutsch für Profis Volkes Maul ist nicht genug. Wer es wagt, als Ratgeber für korrektes Deutsch auf den Plan zu treten, der wird sogleich von drei Einwänden überfallen: erstens, dass es sich um ein uferloses Thema handle; zweitens, dass Profis selbstverständlich am besten wüßten, was richtig ist; und drittens, dass es altmodisch sei, die Frage des korrekten Sprachgebrauchs, der grammatischen Normen, der Rechtschreibung nach dem Duden allzu wichtig zu nehmen. Die Sprache wachse und ändere sich wie jedes Lebewesen; "scheinbar" gegen "anscheinend" abzugrenzen sei eine Pedanterie; und wenn das Volk keinen korrekten Konjunktiv mehr wolle, dann möge der korrekte Konjunktiv eben sterben, und wer dagegen sei, könne ohnehin nichts ändern. … Man könne es nicht, die alten Regeln würden von der Entwicklung überrollt? Dieser Einwand ist allgegenwärtig, ziemlich ausgeleiert und im Grunde einfach falsch. Wenn hunderttausend Lehrer und Journalisten ihre historische Pflicht gegenüber der Sprache nicht mehr erfüllen wollen, weil sie es nicht mehr zeitgemäß finden oder weil es ihnen zu mühsam ist, dann freilich hat Volkes Maul gesiegt – auf welches Luther schaute, während er ihm gleichzeitig die sächsische Hof- und Kanzleisprache entgegentrug. Würden dagegen Lehrer und Journalisten ihre historische Funktion mit gutem Gewissen und schönem Eifer erfüllen, so bliebe das ungefähre Gleichgewicht zwischen Saft und Form gewahrt. Dass die Autorität der Kanzel fehlt, ist dabei kein Unglück. An ihre Stelle ist die Autorität der Medien getreten. Jeder Spiegel-Leser, der sein eigenes Kind "Sohn Otto" nennt, lässt und (insoweit) hoffen: Denn er beweist, bis zu welchem Grade Journalisten die Sprache des Volkes steuern können. …
Das habe ich aus oben genanntem Buch, das 1984, also vor fast einem halben Jahrhundert erschienen ist und die schludrige Sprache der Journalisten zu verbessern sucht. Die Aussagen über die Medien sind, so denke ich, auch auf die nicht gedruckten Medien anzuwenden. Gewisse Spiegel-Manierismen finde ich schon auch in meiner Sprache wieder - wenn ich das Blatt mal wieder gelesen hab. Die Süddeutsche hat zwar ein »Sprachlabor«, aber strotzt von Satz und Tippfehlern.
Was ist also die Instanz heute, knappe 40 Jahre nach dem Erscheinen des eben genannten Buches?
Zitat von Ralf der Rabe im Beitrag #16Keine Ahnung, ob das irgendwie formalisiert existiert,
Dein Einwand zielt auf meine Frage: Wo existiert die Instanz? Schopenhauer forderte glatt Geldstrafen für falsches Deutsch in den Zeitungen. Aber wer bestimmt das "gute Deutsch"? Eine kleine Elite die in den Verlagen sitzen und dort lektorieren? Dass Kommata weggelassen werden, dass anscheinend/scheinbar durcheinander kommt, das kommt ja nicht von ungefähr. Umgangssprache? Klar, es schreiben in den Foren mehr, es gibt mehr, die sich mit Texten an die Öffentlichkeit wagen, die überhaupt dahin kommen, als 1984. Durch all das getwittere ändert sich die Sprache zur Zeit in einer irrsinnigen Geschwindigkeit. Und dringt natürlich ob seiner omnipräsenz viel stärker ins Bewußtsein als ein Roman den eine Handvoll Leute gelesen hat.
Die Frage stelle ich mir schon eine ganze Weile: Wer bestimmt das?
In dem Buch das ich oben zitiere, steht auch noch:
ZitatNach fünfhundert Jahren Buchdruck und jahrzehntelanger Vervielfältigung durch die Massenmedien ist die Rede in großen Teilen zur Reproduktion der Schriftsprache geworden; es wäre kurios, das von schriftdeutschen Eigenheite längst durchsetzte gesprochene Deutsch seinerseits der Schriftsprache als Vorbild anzudienen. Wie sagt Karl Kraus?
Die Journalisten scheinen sich auf den ruchlosen Grundsatz "Schreibe, wie du sprichst" festgelegt zu haben und nehmen ihn wörtlich. Was da herauskommt – da sie faktisch schreiben wie sie sprechen –, ist ja toll, aber es wäre noch erträglich, wenn sich nicht auch die Knsequenz ergäbe: "Sprich wie du schreibst", indem nämlich dann die Leser so sprechen, wie die Journalisten schreiben
Eine Fülle abstrakter, blutarmer Worte ist aus dem Blei auf die Zunge gekrochen, das Soziologen-Kauderwelsch bietet erhabene Redensarten für alle Lebenslagen an, und schon stößt man auf Spiegel-Leser, die ihr eigenes Kind "Sohn Otto" nennen. Wir reden, wie uns der Schnabel verbogen wird.
All die Fragen, die du dir hier im Forum schon gestellt hast, werden in dem Buch auch behandelt. Die Kommata vor dem UND (übrigens ist der gesamte Text sehr Semikolonlastig) und den falschen Gebrauch von ALS und so weiter. Wolf Schneider sieht sich hier also auch in einer Rolle des "Sprachwächters" und möchte seine eigene Zunft verbessern helfen. Immerhin war er wohl Leiter der Hamburger Journalistenschule und wenn ich an die ZEIT in früheren Jahren denke, wohl zumindest in Hamburg ein wenig erfolgreich. :o) Ist also durchaus zu empfehlen, auch wenn ich mich nicht an viele seiner Tipps halte.
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Wobei die nur die Regeln zu verwalten scheinen, und das in der Hauptsache, wie man etwas richtig schreibt. Das gehört zwar zum "richtigen Hochdeutsch" dazu, aber das ist ja nicht alles.
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@Ralf der Rabe : Ich schließe mich deinem Plädoyer für dieses Komma vor dem "und" bei zwei verschiedenen Subjekten vollumfänglich an! Bin ebenso erstaunt wie du, dass eine der neueren Rechtschreibungen es offenbar nicht mehr für notwendig erachtet, und ebenso bei dir, dass mir sowas in den meisten Büchern nicht als fehlend auffällt. Und ich bin sicher, dass es mir negativ auffiele, wenn es so wäre. Fällt mir eher mal bei "schlecht verlegten / redigierten" Büchern auf, und da dann eher störend. Die meisten Bücher von großen Verlagen haben dieses Komma. Vermutlich, weil die Lektoren auch nicht jünger sind als wir und somit die vielen Wellen der neuen, neueren und neusten Rechtschreibung ebensowenig innerhalb ihrer Schullaufbahn miterlebt haben wie wir. (Jetzt graut mir vor der Literatur, die in zehn oder fünfzehn Jahren über uns hereinbrechen wird ...). Aber danke für die Info - das wird einigen der Leute, deren Texte ich hin und wieder lese und mit diesbezüglichen Anmerkungen beglücke, viele bunte Stellen ersparen! ;-)
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Zitat von Gaia Athanasia im Beitrag #21Ich empfehle, dort oder beim Rechtschreibrat nachzufragen.
Äh. Sorry, aber ich habe selten eine schlechter organisierte Web-Seite gesehen. Glaube, ich kann den dort gar nicht finden. Aber interessant, was ander Uni Leipzig alles gemacht wird. :) Nein, ich denke das ist nicht die richtige Antwort auf meine Frage. Denn die Uni beobachtet. Dort kenne ich seit langem den hier: https://wortschatz.uni-leipzig.de/de Das ist schon ganz aufschlussreich, aber wie in der Wissenschaft üblich: neutral. Sprache ist organisch, nicht statisch, daher beobachten die. Das ist gut, denn so findet man dort Informationen wie es derzeit ist. Diese Frage hier richtet sich aber nach der "höchstrichterlichen Instanz". Draufgekommen bin ich übrigens auf die Frage durch das Buch "Deutsch für Profis", dessen Autoren sich solchen Fragen stellen und widmen. Wer bestimmt was gutes, richtiges Deutsch ist, ist eine andere Frage als das zu beobachten, zu analysieren. Danke für die Links, aber sie bringen mich hier auch nicht weiter.
Zitat von Inyara im Beitrag #22Vermutlich, weil die Lektoren auch nicht jünger sind als wir und somit die vielen Wellen der neuen, neueren und neusten Rechtschreibung ebensowenig innerhalb ihrer Schullaufbahn miterlebt haben wie wir.
Da kann ich zum Teil deiner Meinung sein. Habe so dunkel in Erinnerung, dass vor einem UND nie ein Komma steht. Das ist aber schon so lang her, dass ich mich durchaus täuschen kann. Zu der Zeit gab es auch noch Tun-, Wie-, Hauptwörter und so. :o) Der beiderseitig Hinweis, dass das nicht auffällt, liegt vielleicht an den Geschichten? Wenn eine Story richtig fesselt, dann lese ich die sowieso bloß ab einem bestimmten Spannungsgrad nur noch quer. Da fällt mir viel nicht auf. Und, wir ergänzen gerne viele Sachen mit dem Kopf, was die diversen Beispiele zeigen wo nur die Anzahl der Buchstaben stimmt die Reihenfolge aber total verquer und wir das trotzdem komplett flüssig und ohne Stocken lesen können. Nur bei nervigen, langweiligen Passagen fällt es auf, oder wenn was wirklich total verquer geht, dass aus einem Er ein Sie wird.
Lektoren darf man auch, vor allem in kleineren Verlagen, nicht überbewerten. Bei meinem Buch hat der Gute nicht mal gemerkt, dass ein Kapitel gefehlt hat. Die Rechtschreibung hat er mehr oder weniger so belassen wie ich sie getippt hatte. (und Ralf wird ahnen, dass das nicht immer fehlerfrei war) Habe auch schon Bücher gelesen, die ich selbst Korrekturgelesen hatte und wo ich genau die Sachen die mir der Duden-Korrektor angemarkert hatte, wieder unkorrigiert drin gedruckt waren. Wenn was so ist, wie wir, ihr das hier fordert, weil ihr es so kennt, dann liegt das an Rowohlt, Suhrkamp, dtv, Hanser und wie sie alle heißen. Die richtig Geld investieren in die Korrektoren. Meistens zumindest.
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Ich schwöre, es wäre mir aufgefallen! ;-) Egal, wie spannend oder langweilig die Passage gewesen wäre. Ich habe beim Lesen so einiger Bücher zwischendurch das Bedürfnis, mit dem Rotstift was an den Rand zu malen ... Ich hab ein Rechtschreibfehler-Radar. Und das lässt sich nicht abstellen. Einfach nie. oO
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Zitat von Inyara im Beitrag #24Ich hab ein Rechtschreibfehler-Radar.
Wie meine Tochter. Die hat von mir den Spitznamen F7 bekommen. Aber das garantiert nicht, dass sie bei ihrer eigenen Schreibe nicht auch mal was übersieht. Hauptsächlich beim Kopieren oder Löschen.
Dabei gestehst du dir ja in deinem Post oben ein, dass du da auf deine gewohnte, wie gelernte, Version geeicht bist. Und woher deine Prägung kommt, hast du ja auch schon erwähnt. Kannst du diese ganzen Varianten der letzten Jahre fehlerfrei nachvollziehen?
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