eine weitere Sache, die mir in meinen Texten angemarkert wird, ist die Nutzung von Partizipien.
Beispiele: Stöhnend stand er auf.Statt: Er stöhnte und stand auf. Lachend sagte sie.Statt: Sie lachte und sagte (oder einfach nur: Sie lachte.) Gähnend rollte ich mich herum. Statt: Ich gähnte und rollte mich herum.
Vorteile: Die Sätze werden kürzer und prägnanter. Man hat eine weitere Beschreibung / Zuschreibung drinnen.
ZitatPartizipialsätze oder -konstruktionen sind Nebensätze, die ein Partizip enthalten. Das Partizip I bezeichnet man als „Mittelwort der Gegenwart“ (laufend), das Partizip II als „Mittelwort der Vergangenheit“ (gelaufen). Haben Haupt- und Nebensatz das gleiche Subjekt, können wir Partizipien nutzen, umNebensätze kurz zu halten,die Aufmerksamkeit der LeserInnen gezielt auf die Aussage im Hauptsatz zu lenken,zu verdeutlichen, dass zwei Handlungen gleichzeitig stattgefunden haben oder dass die Handlung im Partizipialsatz (mit dem Partizip II!) die erste von zweien war. Anders als im Englischen oder Lateinischen sind Partizipien im Deutschen eher ungebräuchlich und klingen sehr nach Beamtendeutsch. Sie sind keine aktiven Verbformen, sondern klingen wie geronnene Aktivitäten.
Besonders der letzte Abschnitt macht klar: Sollte man also beim Schreiben vermeiden. Ich habe gerade erst ein wundervolles Beispiel gelesen, in denen so häufig Partizipien genutzt wurden, dass der ganze Text vollkommen aufgebauscht war, las sich ganz schrecklich.
Im Sinne von Show, don´t tell soll man ja sowieso schauen, dass man wenig Adjektive nutzt. Und hier werden die Partizipien eben als Adjektive genutzt. Hier habe ich noch eine weitere Übersicht gefunden.
Wie seht ihr das? Nutzt ihr Partizipien? Vermeidet ihr sie prinzipiell? Wie ist das beim Lesen? Stören sie euch dort oder achtet ihr da nicht drauf?
LG Semi
Nach uns wird es vorher geben | Aus der Jugend wird schon Not | Wir sterben weiter bis wir leben | Sterben lebend in den Tod. (Rammstein - Zeit)
Veröffentlichungen: LOS (2021), Herzeleid (2021), Die Arboritos Band 1 (2022)
Ach ja, das ist auch mein Lieblingsfeind... das gute alte Partizip. Da erwische ich mich ganz oft. Für mich amcht da auch wieder die Menge die Musik. Wenn das in jedem zweiten Satz vorkommt... furchtbar. Aber ab und zu mal... kein problem. Gerade die Beispiele die du genannt hast, finde ich mit diesen ewigen und-Konstruktionen auch total affig.
So wie ich das verstanden habe, werden Parizip-Konstruktionen umso schlimmer umso mehr Wörter sie enthalten. Also: Busfahrend erkundeten wir die Stadt --- okay. In einem überfüllten Touristenbus sitzend erkundeten wir die Stadt --- nicht okay.
Maybe it's the cold wind that chills you to the bone. Or the strange rumbling beneath the city streets. It's the unnerving sense that there is a world around us we cannot see.
Ja, so hab ich das auch verstanden. Also je umfangreicher der Satz, je mehr Infos noch drinnen sind, desto schlimmer.
Die dreckige Hose liegt vor dem Bett. Die vor dem Bett liegende Hose ist dreckig. Die vor Schmutz starrende vor dem Bett liegende Hose. Die durch einen heruntergefallenen Becher abgekühlten Kaffee vor Schmutz starrende vor dem Bett liegende Hose.
Amen
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--- "Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz." -- Wladimir Poweronoff (* 2. Dezember 1842 in Minusgrad, Russland; † 19. April 1923 in Moskau, Russland)
In meinem Discord-Channel gibt es verschiedene Text- und Sprachkanäle zum Chatten und für Audio-/Videosessions. Der Bot Sprinto lädt im Spielzimmer zu kleinen Schreibsprints ein, aber es darf auch einfach nur gequatscht werden. https://discord.gg/rSaUxz4hJj
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Zitat von Lysander im Beitrag #5Ich glaube, da muss ein s hin
Vielleicht ist das Rheinische Verlaufsform.
Ich benutze die unterschiedlichen Wendungen eigentlich, um eine zeitliche Abfolge klar zu machen:
Stöhnend stand ich auf - passiert für mich zeitgleich. Ich stöhnte und stand auf - passiert für mich nacheinander.
Cheers - Frank
--- "Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz." -- Wladimir Poweronoff (* 2. Dezember 1842 in Minusgrad, Russland; † 19. April 1923 in Moskau, Russland)
Zitat von Lysander im Beitrag #6"Sag mir was Schmutziges."
Zitat von diffusSchall im Beitrag #4Eine Hose vor dem Bett. Dreckig.
Maybe it's the cold wind that chills you to the bone. Or the strange rumbling beneath the city streets. It's the unnerving sense that there is a world around us we cannot see.
Ich finde auch das nicht-erweiterte Partizip ("stöhnend stand ich auf") noch ok, stimme auch mit diffusSchall überein, dass ich da einen kleinen Unterschied in der Zeit zu "ich stöhnte und stand auf" sehe.
Ebenfalls akzeptabel finde ich Partizipien, die in den Satz eingewoben sind: "Ich startete den Wagen und raste sämtliche Verkehrsregeln ignorierend zum Krankenhaus." Das ist aber eine etwas aufmerksamkeitsheischende Formulierung - ein "hier will der Autor etwas auf besondere Weise ausdrücken"-Signal.
Empfindlich reagiere ich, wenn auf der gleichen Buchseite mehrmals ein erweitertes Partizip am Satzanfang steht, vielleicht sogar noch mit Komma abgetrennt: "Sämtliche Verkehrsregeln igorierend, raste ich zum Krankenhaus. Heftig nach Luft schnappend, fragte ich an der Rezeption nach Karlas Zimmernummer. Immer drei Treppen auf einmal nehmend, rannte ich in den dritten Stock." Das schreit für mich dann nach "schlechte Übersetzung", selbst wenn es im Original auf Deutsch ist.
Dabei erwische ich mich oft. Das Partizip am Anfang des Satzes verwende ich um das nervige "Ich" zu vermeiden. Ich schreibe zwar gerne und fast ausschließlich in der 1. Person, habe aber noch keinen guten Weg gefunden, das besser zu umgehen. Also schreibe ich: Lachend stand ich auf, anstatt Ich lachte und stand auf.
Zitat von Sunshine im Beitrag #10Dabei erwische ich mich oft. Das Partizip am Anfang des Satzes verwende ich um das nervige "Ich" zu vermeiden. Ich schreibe zwar gerne und fast ausschließlich in der 1. Person, habe aber noch keinen guten Weg gefunden, das besser zu umgehen. Also schreibe ich: Lachend stand ich auf, anstatt Ich lachte und stand auf.
Das mache ich auch unheimlich gerne, und genau das hat mich dazu gebracht, näher über die Partizipien nachzudenken. Denn das wurde mir ganz oft in meinen Texten angemarkert. Seufzend stand sie auf. Stöhnend drehte sie sich zur Seite. [...]
Hab eben mal nach möglichen Satzanfängen gegoogelt und ein neues Thema erstellt.
Vielleicht können wir dadurch ja mal die Partizipien zu Beginn ersetzen :)
LG Semi
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Veröffentlichungen: LOS (2021), Herzeleid (2021), Die Arboritos Band 1 (2022)
Partizipialsätze sind für mich nichts weiter, als eines von vielen Stilmitteln. Die Mischung machts. Man sollte sie nicht überstrapazieren, aber hier und da eingestreut können sie eine schöne Komposition bzw. einen Kontrast bilden. Aber ich mag diese Schwarzweiß-Mentalität auch nicht. Tue niemals das! Mache auf jeden Fall jenes!
Zitat von Ralf der Rabe im Beitrag #9Ebenfalls akzeptabel finde ich Partizipien, die in den Satz eingewoben sind: "Ich startete den Wagen und raste sämtliche Verkehrsregeln ignorierend zum Krankenhaus." Das ist aber eine etwas aufmerksamkeitsheischende Formulierung - ein "hier will der Autor etwas auf besondere Weise ausdrücken"-Signal.
Das würde ich auch eher als Stilmittel sehen, um bestimmte Dinge/Handlungen/Personen hervorzuheben - finde ich gut. Also, es kommt natürlich immer auf den Satz und den entsprechenden Text an, und eben auch, wie häufig das verwendet wird.
Zitat von Sunshine im Beitrag #10Dabei erwische ich mich oft. Das Partizip am Anfang des Satzes verwende ich um das nervige "Ich" zu vermeiden. I
Ich glaube, das kenne ich auch. Ist aber auch hin und wieder akzeptabel, man sollte es ja auch mit den Korrekturen nicht übertreiben.
Zitat von Semikolon im Beitrag #11Hab eben mal nach möglichen Satzanfängen gegoogelt und ein neues Thema erstellt.
Vielen Dank, da bin ich sehr neugierig! Das ist mit Sicherheit sehr hilfreich
Viele Grüße
Grüße aus Hörnchenhauptquartier und Kaninchenbau Sylvia, Brownie, Pearly und Gimli
"Behind every beautiful thing there's been some kind of pain" (Bob Dylan, Not dark yet)
Gegenwärtig erleben wir ja vor allem im Journalismus die "Partiziperitis von Partizip I" Das soll dann gendergerechte Sprache sein, die das generalisierende Maskulinum vermeidet ( durch fehlerhafte Verwendung des Partizips 1, die aus Studenten und Studentinnen Studierende und aus Demonstranten und Demonstrantinnen Demonstrierende macht. Aber wenn sie nach der Vorlesung im Café sitzen oder nach der Demo auf dem Heimweg sind, dann sind es eben keine Studierenden und Demonstrierenden mehr ... Doch das ist schon wieder ein anderes Thema. Was die Verwendung von Partizipialkonstruktionen betrifft, ist es wie mit dem Salz - in Maßen o.k., zuviel wird ungenießbar.
"Gewalt ist die letzte Zuflucht des Unfähigen" ( Hari Seldon in Isaak Asimovs erster Foundation-Trilogie )